Vom Zuhören zum Erzählen

Meine Erlebnisse im zweiten Block der Fortbildung „Narrative Organisationsberatung“

Geschichten schaffen Nähe

Als ich zum zweiten Block der Weiterbildung fuhr, war ich gespannt, wie es sein würde, die Gruppe wiederzusehen. Ich hatte mich gefreut aber auch gefragt, ob wir wieder so schnell zueinanderfinden würden wie beim ersten Mal.

Die Antwort kam noch vor dem offiziellen Beginn. Es war ein herzliches Wiedersehen – mit offenen Gesprächen und Lachen. Irgendwann meinte jemand in der Runde: „Komisch, wir kennen und eigentlich gar nicht lange und trotzdem fühlt es sich so an, als würden wir uns schön länger kennen.“

Unsere beiden Dozierenden Christine und Michael, hörten das und meinten, dass es vielleicht daran liegt, dass wir uns so intensiv mit dem Erzählen, Zuhören und Verstehen von Geschichten beschäftigen und dass man sich dadurch auf einer anderen Ebene begegnet. Offener, aufmerksamer, zugewandter.

Ich glaube, sie haben recht.

Auf die Details kommt es an

Der zweite Block setzte auf, wo der erste geendet hatte. Im Fokus stand zunächst noch das Storylistening. Man würde ja denken: Ein narratives Interview führen – das bekomme ich hin. Frage stellen, aufmerksam sein, Notizen machen. Aber genau da lag für mich ein großer Aha-Moment: Es macht einen Unterschied, wie das Interview geführt wird und eben auch, wie es dokumentiert wird.

Ein scheinbar kleines Detail: Wenn ich als zuhörende Person mitschreibe, während mein Gegenüber erzählt, verlagert sich der Fokus. Plötzlich ist da ein Moment von Unsicherheit: Was schreibt er oder sie da auf? Habe ich etwas Falsches gesagt? Ganz anders, wenn jemand Drittes mitschreibt – still, im Hintergrund, ohne Blickkontakt. Die erzählende Person bleibt im Fluss, fühlt sich gesehen und gehört, nicht analysiert.

Diese feinen Nuancen waren es, die für mich diesen Teil der Fortbildung so wertvoll gemacht haben. Wir haben gelernt, wie man einen sicheren Raum fürs Erzählen schafft, wie man mit offener Haltung zuhört und wann Schweigen kraftvoller sein kann als die klügste Anschlussfrage.

Wir durften nicht nur selbst narrative Interviews führen, sondern auch zuschauen, beobachten, mitdenken. Im Anschluss haben wir das Erzählte gemeinsam ausgewertet, mithilfe der StoryMap, einer Methode, mit der man Muster, Bedeutungs- und Metaphern-Räume sichtbar machen kann. Besonders hilfreich war dabei das gemeinsame Reflektieren: Was ist mir aufgefallen? Und dir? Was wurde nicht erzählt? Dieser Austausch hat mir nochmal deutlich gezeigt: Zuhören ist ein sozialer Prozess und Verstehen entsteht nicht im Alleingang, sondern im Dialog.

Vom Hören zum Handeln: Reflektieren und Spiegeln

Ein weiterer Schwerpunkt war, wie man die Erkenntnisse aus den Interviews zurück in Teams oder Organisationen spiegelt. Und genau hier liegt der Knackpunkt. Denn so wertvoll die Geschichten auch sind, sie sind sensibel. Schnell kann es übergriffig wirken, wenn jemand von außen erzählt, wie eine Organisation oder Team „wirklich tickt“.

Die Methode des Reflecting Team hat uns genau dafür einen Rahmen gegeben: eine Art Zwischenraum zwischen Interviewten und Beobachtenden, in dem Aussagen nicht interpretiert oder bewertet, sondern zurückgespiegelt werden – vorsichtig, respektvoll und einladend.

Es wurde schnell deutlich: Die Wirkung hängt nicht nur von der Methode ab, sondern auch von der Haltung der Beratenden. Wie spreche ich über das, was ich gehört habe? Wie ermögliche ich Anschlussfähigkeit statt Widerstand? Und wie so oft in dieser Weiterbildung: Wir haben nicht nur darüber gesprochen, sondern es auch gleich ausprobiert.

Verstehen und Verbinden

Das narrative Interview war aber nur Teil dessen, was wir in Block 2 vertieft haben. Es ging auch darum, wie man die gesammelten Geschichten in eine gemeinsame Erzählung überführt und damit eine echte Verbindung schafft. Was bleibt nach vielen Einzelgeschichten? Was verbindet sie? Und wie kann aus Vielfalt ein gemeinsamer Erzählkern entstehen, nicht als bloßer Slogan, sondern als verdichtete Erzählung, die Orientierung gibt? Das sogenannte Core Narrativ.

Das war der Übergang zum Storytelling. Doch auch hier keine schnelle Storyline, kein „Wir basteln mal eben eine schöne, ausgeschmückte Geschichte“. Sondern immer verankert im Zuhören, im Verstehen und im Kontakt mit der Realität der Menschen. Das Besondere ist, dass das Core-Narrativ nicht einfach entwickelt und festgelegt wird, sondern im Prozess entsteht, aus ganz unterschiedlichen Stimmen und echten Erfahrungen.

Von dort aus können weitere Geschichten entstehen, ein ganzes Storyverse, das unterschiedliche Perspektiven zulässt und trotzdem verbunden bleibt.

Aus dem Seminarraum hinein in echte Kontexte

Bis zum nächsten Block im September werden wir nun das Gelernte in eigenen konkreten Fallbeispielen anwenden und beim Wiedersehen vorstellen. Das Schöne: Wir machen das nicht allein. In kleinen Peergroups begleiten wir uns gegenseitig durch diesen Prozess. Auch das wieder ganz im Sinne der Fortbildung.

Erzählen ist Beziehung. Lernen auch.

Ich bin gespannt auf den dritten Block und darauf, welche Geschichten wir bis dahin entdecken, begleiten und vielleicht schon neu erzählen werden.

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