Storytelling in Uganda
„Ich hatte meine Fischfarm gerade aufgebaut und hoffte, in diesem Jahr Gewinn zu machen, als der Victoria-See über die Ufer trat und alle meine Fische aus den Teichen wusch. Ich musste von vorne anfangen. Aber ich wusste jetzt, wie ich es besser machen konnte.“
Das ist nur eine der vielen Geschichten, die ich von Sozialunternehmern beim Storytelling-Workshop Ende April 2017 in Kampala, der Hauptstadt Ugandas gehört habe. Geschichten über Gründungen und Katastrophen, über Erfolge und neue Ideen. Der Fischfarmer übrigens ist inzwischen auch wieder im Geschäft.
22 Unternehmer, mehr als die Hälfte von ihnen Frauen, nahmen an dem eintägigen Workshop teil. Sie lernten die Grundlagen von Business-Storytelling kennen, eine Anwendung, die den meisten neu war: Wie einige der TeilnehmerInnen feststellten, seien sie noch nie auf die Idee gekommen, Storytelling in ihren Unternehmen anzuwenden – obwohl, wie sie betonten und mit ihren Geschichten bewiesen, Uganda ja eine „Storytelling-Kultur“ ist. Die Teilnehmer entwickelten ihre Unternehmens-Story, reflektierten die Wendepunkte und Herausforderungen, die sich in ihr zeigten, und überlegten, wo sie ihre Geschichte wie einsetzen könnten: Im Marketing, in der Kommunikation mit Banken und Kreditgebern, im Austausch mit Partnern.
Den Workshop moderierte ich gemeinsam mit Barbara Börner von Endeva und Jona Liebl von Adelphi, die als Mitarbeiter von NGOs viel Erfahrung in der Arbeit mit afrikanischen Unternehmern haben. Er fand im Rahmen des Projekts „Stories about us“ der Siemens Stiftung unter der Projektleitung von Beate Grotehans statt, ein Projekt, das unser „Institut für Angewandte Narrationsforschung (IANA)“ forschend und konzipierend begleitet. Es geht bei diesem Projekt vor allem darum, die Möglichkeiten von Geschichten zur Erfahrungsweitergabe, zur Kommunikation und zur Reflexion bei Sozialunternehmern auszuloten – und ihnen mit den Geschichten neue Werkzeuge für ihre Unternehmensentwicklung an die Hand zu geben.
In Kampala führten wir vor dem Unternehmerworkshop einen zweitägigen Storytelling-Workshop für Consultants durch und vermittelten ihnen das Handwerkszeug, mit dem sie mit ihren eigenen Beratungskunden an deren Stories arbeiten können. Sowohl bei den Consultants als auch bei den Unternehmern waren die Teilnehmer begeistert dabei, ihre Geschichten zu erzählen; anfängliche Ängste, wie ich sie manchmal in deutschen Storytelling-Workshops erlebe („ich kann aber keine Geschichten erzählen“), gab es nicht. Uganda ist eben wirklich eine Storytelling-Kultur. Eine wesentliche Erkenntnis, die ich mit nach Hause nahm war, dass die Grundstruktur von Geschichten in Europa und in Afrika (oder zumindest in Uganda) identisch ist – in Uganda wird nur ausführlicher erzählt.
Im Juli führen wir in Accra, Ghana ähnliche Workshops durch. Ich bin gespannt auf die Geschichten dort.
Michael Müller